Schritte zurück ins Leben – Hildegard Pelz bietet für das Hospiz seit zwei Jahren „Trauer-Spaziergänge“ an 

Das Bedürfnis zu reden, ist unendlich groß. „Manchmal kommen wir nicht mal aus der Wohnung raus“, sagt Hildegard Pelz und lacht bei dem Gedanken. Denn eigentlich führen die „Trauer-Spaziergänge“ des Hospizes zum heiligen Franziskus in die Natur hinaus. Rund 120-mal war Hildegard Pelz in den vergangenen zwei Jahren gefragt. Und sie will auch weiterhin „in Bewegung bleiben, denn das macht den Kopf frei und bringt die Menschen auf andere Gedanken“.

„Trauer ist nichts, wofür man sich schämen muss“, sagt die 60-Jährige (kl. Foto) entschieden. Doch Hildegard Pelz weiß auch, dass viele Angehörige und Freunde nach einigen Monaten nur wenig Verständnis aufbringen. „Jetzt ist es aber mal gut“ und „reiß dich endlich zusammen“, bekommen die Trauernden dann zu hören.

Da ist die Tochter, die ihre Mutter vermisst, dort der Vater, der seinem verunglückten Sohn noch so viel sagen wollte. Es sind Menschen, deren Lebenspartner gestorben sind, nach langer Krankheit oder ganz plötzlich nach einem Herzinfarkt. Die ehrenamtliche Hospiz-Helferin möchte Männern und Frauen beistehen, denen es nicht gelingt, die Trauer um einen geliebten Menschen zu bewältigen.

Zahlreiche der Spaziergänger leiden sogar unter Schuldgefühlen, weil sie meinen, sie hätten nicht alles Erdenkliche getan, um den Tod zu verhindern. Andere sind verängstigt, verzweifelt, hilflos oder wütend, weil sie plötzlich mit all ihren Problemen allein dastehen. Hildegard Pelz: „Trauer ist mehr als nur traurig sein.“

Einsamkeit ist ebenfalls oft ein Thema. „Und bei den Männern kommen noch ganz praktische Sorgen hinzu. Dann reden wir schon mal darüber, wie sie Wäsche sortieren müssen“, verrät Hildegard Pelz, die seit sieben Jahren zum Hospiz-Team gehört und ausgebildete Trauerbegleiterin ist.

Hildegard Pelz verabredet sich mit ihnen, sei es an der Mollbeck, am Kanal, auf der Halde oder dem Friedhof. „Wo immer sie möchten“, betont die aufmerksame Gesprächspartnerin, die 30 Jahre lang als Gymnasial-Lehrerin gearbeitet hat. Selbst Regen, Frost oder Schnee sind für sie keine Gegner.

Einfühlsam, nicht mitleidig, hört Hildegard Pelz zu. Und gemeinsam suchen sie nach einem Weg aus der Dunkelheit, damit der Gedanke an den Verlust erträglicher wird. Die Frau aus Haltern begleitet zurück ins Leben. Hildegard Pelz: „Vielleicht gibt es da längst vergessene Hobbys, verdrängte Träume oder alte Freundschaften.“ Aber natürlich dürfen die Stunden im Freien auch „mit Stille“ gefüllt werden. Hilfreich bei diesem Prozess ist der Spaziergang durch die Natur mit den wechselnden Jahreszeiten, mit ihren Gerüchen und Farben.

Und mit jedem Schritt wird das Herz leichter. Meter für Meter. „Es macht mir große Freude, wenn ich die ersten Zeichen des Aufbruchs sehe“, sagt sie. Und wenn sich das Gespräch irgendwann oberflächlicheren Themen zuwendet und bei Tratsch, Klatsch und den Nachbarn landet, dann weiß Hildegard Pelz, dass es an der Zeit ist, zu gehen, um weiteren Menschen zu helfen.

Ulrike Geburek / RZ