„Der Tod zwischen Orangen und Thunfisch“
Günther-Eckerland-Realschüler befragten 100 Passanten rund um den Marl-Hammer Wochenmarkt
Marl-Hamm. „Neues Angebot: 100 Gramm Thunfisch 3,29 Euro“, preist ein Schild an. Davor stehen Schüler der Günther-Eckerland-Realschule und befragen einen Kunden auf dem Wochenmarkt von Marl-Hamm zu einem ungewöhnlichen Thema: „Haben Sie Angst vor dem Tod? Und was halten Sie von Hospizen?“
Bereitwillig antwortet der Mann den mutig und engagiert, aber auch einfühlsam interviewenden Schülern.
Insgesamt stehen den jungen Leuten an diesem Morgen etwa 100 Personen bei ihrer Passantenbefragung rund um den Marktplatz Rede und Antwort, was sie über Sterben und Tod, Allerheiligen und Totensonntag denken.
Es ist ein trüber, verhangener Novembertag, an dem die Kälte durch die Kleider kriecht.
Nur wenige Käufer, meist ältere Leute, sind an diesem Morgen auf dem Markt zu sehen.
Vor dem frei stehenden Turm der evangelischen Lutherkirche treffen sich Marianne Michel vom Hospiz zum heiligen Franziskus sowie Projektleiter Gerd Felder und Inga Reuter vom „Team Zirkel“ aus Münster mit den Klassen 10 ab/b und 10 c/d der Günther-Eckerland-Realschule und ihrer Lehrerin Beatrix Ries.
Rasch werden die Zettel mit den Fragen verteilt, und mehrere Gruppen machen sich auf, um die Marler zu „löchern“.
Ganz allmählich finden sich auch mehr Kunden an den Marktständen ein. Zwischen Orangen und Thunfisch, Strickjacken und Trauben befragen die Schüler eine ganze Reihe von Passanten, von denen die meisten sich aufgeschlossen zeigen.
Manche Schüler gehen auch ins Lutherhaus der evangelischen Gemeinde, in den Getränkemarkt, Lebensmittel-Geschäfte oder in den Blumen-Laden und sammeln dort Reaktionen.
Die Tendenz ist schnell eindeutig: Die weitaus meisten kennen Hospize und bewerten sie uneingeschränkt positiv. „Eine gute Sache“, „super“ oder „davon müsste es mehr geben“, ist immer wieder zu hören.
Gut die Hälfte die Befragten kennt das Franziskus-Hospiz in Recklinghausen zumindest vom Hörensagen her.
Was aber viel erstaunlicher ist: Fast alle sagen, sie hätten sich – teilweise intensiv – mit dem Thema „Sterben und Tod“ auseinandergesetzt und – noch verblüffender – sie hätten keine Angst vor dem Tod.
Besonders markant ist die Äußerung einer Frau um die 40: „Wenn man ein schönes Leben gehabt hat, dann braucht man auch keine Angst vor dem Tod zu haben.“
Und noch ein anderer Trend ist offenkundig:
Die große Mehrzahl folgt – je nach Konfession – den Traditionen von Totensonntag (evangelisch) oder Allerheiligen (katholisch) und besucht an diesen Tagen im November die Gräber der verstorbenen Verwandten und Freunde, zündet dort Kerzen an und besucht teilweise auch die Kirche.
In Marl-Hamm sind diese Rituale offenbar noch stark verwurzelt.
Einige wenige geben aber auch zu, dass die Totengedenktage für sie ganz normale Tage wie andere auch sind.
Nach einer Stunde treffen sich alle Gruppen wieder an der Lutherkirche und gehen in das Gotteshaus hinein, um die Ergebnisse auszutauschen. „Für uns war es anfangs ungewohnt, die Leute anzusprechen, aber es war erstaunlich, wie offen viele auf unsere doch sehr persönlichen Fragen geantwortet haben“, zieht Maria Rother ein positives Fazit.
Die älteren Menschen seien im Durchschnitt ernster mit den Fragen umgegangen, fügt sie hinzu. „Das war nicht so einfach, und ich fand es toll, wie ihr diese Aufgabe bewältigt habt“, lobt Marianne Michel.
Auch Projektleiter Felder dankt den Schülern: „Das war eine gelungene Umfrage zwischen Orangen und Thunfisch, beim Bäcker, in der Apotheke und im Schreibwarenladen. Ihr habt Mut bewiesen.“